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CEO des Hafens von Açu spricht über aktuelle Entwicklungspotenziale der Unternehmung und Investitionsmöglichkeiten für deutsche Betriebe in Rio de Janeiro

29.07.2020

Die Wiederaufnahme der Investitionen in den Bundesstaat Rio de Janeiro und die Änderungen der regulatorischen Rahmenbedingungen für die Energiebranche erachtet José Firmo, CEO des Hafens von Açu, als wichtig und notwendig. Auch das Thema Nachhaltigkeit spielt eine große Rolle in der Entwicklung des Hafens. Daher gehört Deutschland, als Pionier in Sachen nachhaltige Energiewirtschaft und Technologien, zu einem wichtigen strategischen Partner. Im Interview mit der AHK Rio erklärt Firmo, welches Entwicklungspotenzial er für den Hafen von Açu, aber auch für deutsche Investoren in der Region von Rio de Janeiro sieht.

AHK Rio: Der Hafen von Açu (Porto do Açu) ist ein junges, aber schnell wachsende Unternehmung. Wie sind die Entwicklungsperspektiven des Hafens?

José Firmo: Açu ist mit 130 km² das größte Hafen-, Industrie- und Energieunternehmen des Landes und entwickelt sich im Rahmen großer Hubs. Wir betreiben unterstützende Tätigkeiten für den Offshorebereich sowie für den Transport von festem und flüssigem Massengut, Projektladung und, seit diesem Monat Juli, von Containern per Seeweg zwischen dem Hafen von Rio und Açu. So haben wir uns bereits als Öl-, Bergbau-, Dienstleistungs- und Logistik-Hub konsolidiert und befinden uns in der nächsten Phase der Entwicklung des Industrie-Hubs.

Ein Beispiel für den Fortschritt ist die Entwicklung eines modularen Raffinerieprojekts zur Lieferung von Erdölprodukten und einer Tankanlage, die den Fortschritt von Upstream zu Mid- und Downstream darstellt, zu einem Zeitpunkt, in dem das Monopol über die Raffinerie voraussichtlich aufgelöst wird. Ebenfalls im Bau ist das größte gasbetriebene Kraftwerk Lateinamerikas in Açu, das unseren Gas- und Energie-Hub festigen wird.

All dieses Wachstum wird durch den Grünen Hub verstärkt, darunter ein 40 km² großes privates Naturreservat (das größte in Brasilien). Es bietet Umweltdienstleistungen für Unternehmen an und umfasst auch die Entwicklung erneuerbarer Energien, um den Energiewandel des Hafens und der Region zu fördern.

AHK Rio: Die Nachhaltigkeitspolitik ist ein hochaktuelles Thema für die AHK und deutsche Unternehmen. Was ist die Vision des Açu für eine nachhaltige Entwicklung?  

José Firmo: Nachhaltigkeit ist ein strategischer Pfeiler unserer wirtschaftlichen Umgestaltung. Açu ist eines der wenigen Strukturprojekte in Brasilien, das mit dieser Vision geboren wurde und bereits weltweit herausragend ist, wie zum Beispiel beim World PortSustainabilityProgram (WPSP) 2020 Sustainability World Award, bei dem wir Anerkennung erhielten, indem wir mit riesigen Referenzhäfen wie Los Angeles und Amsterdam konkurrierten.

Vorausdenken liegt in unserer DNA. Deshalb wollen wir erneuerbare Energien als Teil des Energiemixes unseres Hafens sicherstellen. Darüber hinaus berücksichtigen wir bei unserer strategischen Planung zur Entwicklung eines Chemie-Clusters das Potenzial der Clean-Tech. Die Möglichkeit, grüne Chemikalien in unsere Diskussion einzubringen, wird als eines der Unterscheidungsmerkmale unseres Hafens gewertet, um Fortschritte zu erzielen.

So besteht eine der größten Chancen für deutsche Unternehmen, die bereits in Brasilien tätig sind, wie auch für Neueinsteiger darin, in diesem Umfeld in einmaliger Weise zu investieren. Der Açu liegt an der industriellen und infrastrukturellen Grenze des Landes und verfügt über ein immenses Potenzial, um nachhaltige Energiewirtschaft zu fördern und seine Technologien zu übernehmen - ein Sektor, in dem Deutschland eine Vorreiterrolle innehat. 

AHK Rio: Welche weiteren branchenspezifischen Möglichkeiten sehen Sie für die Deutschen in der Region? 

José Firmo: Rio de Janeiro ist in den letzten Jahren wieder auf das Radar internationaler Investoren zurückgekehrt. Regulatorische Veränderungen treiben die Rückkehr des Energiesektors zur Wettbewerbsfähigkeit auf dem internationalen Markt voran und lenken das Interesse an der Zuteilung von Ressourcen nach Rio zurück. Der größte Teil der weltweiten Investitionen in Ölförderblöcke ist in die Region geflossen, und dies ist nur die Spitze des Eisbergs. Diese Bewegung gibt Impulse für die Öl-, Gas- und Derivatindustrie.

In diesem fruchtbaren Geschäftsumfeld baut Gás Natural Açu (GNA) in Açu den größten Wärmekraftwerk-Park Lateinamerikas. Es handelt sich um zwei Wärmekraftwerke mit einer Kapazität von 3GW, genug Energie, um 14 Millionen Haushalte zu versorgen. Dieses Projekt wird insbesondere bereits in Partnerschaft mit dem deutschen Unternehmen Siemens durchgeführt, das zusammen mit BP und Prumo eine Partnerschaft gebildet hat, die die für die Umsetzung des Parks erforderliche Technologie und das Know-how bereitstellt. Auch die Erwartung, einheimisches Gas zum Hafen zu leiten, wird ein Meilenstein für die Industrialisierung des Açu sein. Gasintensive Industriesektoren, wie die Düngemittel-, Chemie- und die Stahlindustrie, können von der Verfügbarkeit dieses wichtigen Rohstoffs profitieren.

Die Anbindung von Açu ist ein weiterer Anreiz: Noch im Jahr 2020 nimmt der Flugplatz Norte Fluminense den Betrieb auf, um Personal zu den Plattformen zu transportieren. Der neue Kabotage-Dienst der Küstenschifffahrt zwischen Rio und Açu wird im Laufe dieses Quartals eröffnet. Zusätzlich zu diesen Verbindungen werden mittelfristig neue Autobahn- (RJ-244) und Eisenbahnverbindungen (EF-118) errichtet, wodurch die Möglichkeiten der Hafenerschließung weiter ausgebaut werden.

Diese vielversprechenden Aussichten bieten verschiedenen deutschen Industrien und Zulieferern die Möglichkeit, ihr Geschäft in Brasilien zu fördern. Açu ist derzeit ein Wachstumsmotor im Südosten des Landes, wobei in den nächsten fünf Jahren noch 62 km² für die Ansiedlung neuer Unternehmen zur Verfügung stehen werden. 

AHK Rio: Welche Erwartungen hat Açu als neues Mitglied der AHK Rio in Bezug auf Zusammenarbeit und Projekte in den nächsten 12 Monaten?

José Firmo: Wir müssen unsere Kenntnisse über die verschiedenen Möglichkeiten in Brasilien für den deutschen Markt verbessern. Brasilien hat sehr unter seinem Image gelitten, vor allem in Europa und unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit. Der Hafen von Açu bietet große Möglichkeiten, Projekte zu entwickeln, die dazu beitragen werden, die globale Sichtweise erheblich zu verbessern und bedeutende nachhaltige Investitionen in unsere Region zu bringen. Unsere umfangreiche verfügbare Fläche, verbunden mit unserer Vision der nachhaltigen Entwicklung, dem Zugang zum Meer und zum Landesinnern und unseren einzigartigen logistischen Fähigkeiten in Brasilien, haben das Potenzial, den Aufbau der größten nachhaltigen Projekte des Landes zu fördern.

Deshalb wollen wir den Hafen von Açu Deutschland näherbringen und hoffen, in dem relevanten Networking-Forum der AHK Rio die bilaterale Zusammenarbeit zu fördern. Die Zusammenarbeit bei Veranstaltungen und Webinaren sind ebenfalls Aktionen, die unsere Sichtbarkeit sicherlich erweitern werden. Darüber hinaus wollen wir uns in den AHK-Diskussionen in anderen Bereichen wie Logistik und soziale Verantwortung über bewährte Praktiken austauschen und davon lernen.

AHK Rio: Warum hält Açu die Zusammenarbeit mit deutschen Unternehmen für wichtig?

José Firmo: Die Geschichte des Hafens von Açu ist von der Zusammenarbeit mit internationalen Akteuren geprägt. Die Zusammenarbeit mit verschiedenen globalen Kulturen, mit denen wir unsere Werte teilen, erweitert unsere Fachkompetenz und schafft mehr Entwicklungsmöglichkeiten. Deutschland ist führend in Europa und stark in Industrie und Technologie, ein strategischer Partner für Brasilien.

Wir haben bereits positive Partnerschaften am Hafen mit deutschen Unternehmen, wie z.B. die bereits erwähnte Partnerschaft mit Siemens für den Bau des Gas-Hubs Açu (GNA), das Joint Venture zwischen Prumo und Oiltanking (Açu Petróleo, das für mehr als 25% der Ölexporte des Landes verantwortlich ist) sowie erfolgreiche Logistikprojekte mit BBC Chartering (Reederei) und Deugro (Speditionsagentur). Açu hat am Multicargo-Terminal auch Fracht aus dem Hamburger Hafen, Deutschland, erhalten. Dies sind erfolgreiche Erfahrungen und zeigen das große Geschäftspotenzial, das wir für deutsche Unternehmen bieten.

AHK Rio: Gibt es weitere Initiativen zur Annäherung des deutschen Marktes?

José Firmo: Der Hafen von Açu unterhält im Rahmen der Internationalen Hafenvereinigung (IAPH) eine enge Beziehung zum Hamburger Hafen. Der CEO, Jens Meier, vertritt Europa, und die Direktorin für internationale Wirtschaft des Hafens von Açu, Tessa Major, vertritt Mittel- und Südamerika. Dieses Forum erörtert die wichtigsten Trends und besten Praktiken im Hafensektor mit dem Ziel, den internationalen Handel zu fördern.

Eine weitere wichtige strategische Partnerschaft besteht mit dem Hafen von Antwerpen in Belgien, einem der wichtigsten Eingangshäfen für Deutschland. Antwerpen hat mehrere deutsche Kunden in seinem Portfolio: industrielle Investoren wie die Chemieunternehmen Bayer und BASF, Schiffseigner wie die Hamburg Süd, Exporteure verschiedener Segmente wie Autos, Stahl und Ausrüstung. Durch das Netzwerk der internationalen Hafenvertreter in Antwerpen wird auch das Geschäft des Açu auf dem deutschen Markt gefördert. Wir haben auch einen beispielhafte Fall internationaler Partnerschaft: Die deutsche Siemens-Turbine für das erste Wärmekraftwerk Açu verließ Deutschland, wurde im Hafen von Antwerpen auf einem deutschen BBC Chartering-Schiff verschifft und kam in Açu an.

AHK Rio: Welche Tipps wären für ausländische Unternehmen, die Investitionen in den Energie- und Infrastruktursektor von Rio de Janeiro erwägen, für den Erfolg essentiell? Wäre zum Beispiel eine Partnerschaft mit der Kammer eine gute Vorgehensweise?  

José Firmo: Networking ist wichtig, um Herausforderungen zu besprechen und Lösungen zu finden, die für alle besser sind, insbesondere in der brasilianischen Kultur. Aus diesem Grund engagieren wir uns in Plattformen wie Industrieverbänden wie IAPH und ATP und wie im Falle von der AHK Rio in Handelskammern. Die Kammern sind wichtig, um die Zusammenarbeit mit Unternehmen, die Verbindungen zu anderen Ländern haben, auszuweiten und mehr Wissen und Verbindungen zu ausländischen Märkten zu bringen.

Auch der Energiesektor ist auf der Suche nach neuen Geschäftsmodellen, um in der Phase, die die Ölindustrie durchlebt, bestehen zu können. Es ist notwendig, innovative Lösungen neu zu erfinden und in sie zu investieren, wobei das Geschäftsrisiko und das Projektrisiko in Einklang gebracht werden müssen. Es sind mehrere regulatorische Änderungen im Gange, die den Energie- und Infrastruktursektor noch wettbewerbsfähiger machen werden. Gleichzeitig wird der Energiewandel zur Regel der Wirtschaft und schafft Möglichkeiten für nachhaltigere langfristige Investitionen.

In Açu zum Beispiel umfasst das Geschäftsmodell Gas, LNG und erneuerbare Energien sowie die Möglichkeit einer Umweltentlastung durch die größte private Sandbankreserve des Landes, RPPN Caruara, die seit 2012 vom Hafen Açu freiwillig geschaffen und unterhalten wird. Sogar der neue Zubringer- und Küstenschifffahrtdienst sieht die vollständige Neutralisierung des ausgestoßenen Kohlenstoffs durch ein Programm unseres Partners Norsul vor. Nachhaltigkeit, Sicherheit und Effizienz gehören zu den wichtigsten Werten des Açu