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Grüner Wasserstoff – ein neuer Entwicklungsimpuls für Brasilien

19.05.2021

Verfasst von Alberto Machado Neto

Die globale Erwärmung, der Anstieg der Konzentration von Kohlenstoffverbindungen in der Atmosphäre und die Umweltverschmutzung im Allgemeinen haben dazu geführt, dass nach immer saubereren und weniger von fossilen Brennstoffen abhängigen Energiematrizen gesucht wird.

Viele Industriestaaten sind maßgeblich von Energieimporten abhängig, um ihre Wirtschaft voranzutreiben. Sie sind daher ständig auf der Suche nach kohlenstoffarmen Lösungen. Auf diese Weise wurde zum Beispiel Kohle durch weniger umweltschädliche Energieträger ersetzt und das gleiche geschieht mit Erdöl und wird bald auch  Erdgas betreffen, das bereits heute als sauberer Übergangskraftstoff verstanden wird.

In diesem Szenario erscheint Wasserstoff (H2) als der Treibstoff der Zukunft, da er der einzige molekulare Energievektor mit Null-Kohlenstoff-Emission ist. Es ist auch das am häufigsten vorkommende chemische Element im Universum und setzt bei seiner Verbrennung nur Wasserdampf frei.

Das größte Hindernis für den großtechnischen Einsatz von H2 waren bisher die Kosten für seine Gewinnung, da Wasserstoff in der Natur nur in Verbindung mit anderen Elementen vorkommt und zu seiner Abtrennung große Mengen an Energie benötigt werden.

Die Hoffnung besteht, dass H2 aus erneuerbaren Energiequellen wie Solar- (Photovoltaik) und Windenergie, durch die Elektrolyse von Wasser oder aus Biomasse, zum Beispiel durch die Reformierung von Ethanol, wirtschaftlich hergestellt werden kann und damit kurzfristig rentabel wird.

Das daraus resultierende Produkt ist der so genannte Grüne Wasserstoff, welcher zu 100% nachhaltig ist. Obwohl seine Kosten gesunken sind, ist es immer noch teurer als umweltschädlichere Energieträger, was seine Anwendung als Energiequelle immer noch nicht kommerziell durchführbar macht.

Der Druck, die Umweltverschmutzung zu reduzieren, hat jedoch Länder und Unternehmen dazu veranlasst, auf diese neue Form der sauberen Energie zu setzen, von der viele glauben, dass sie für die "Dekarbonisierung" des Planeten unerlässlich ist. Erwartet wird die Entwicklung neuer Technologien insbesondere für Anwendungsbereiche, die heutzutage umweltbelastend sind, wie in der Mobilität, Stahlerzeugung sowie Stromerzeugung.

Die Produktion durch Elektrolyse von Wasser, die immer noch als wirtschaftlich unrentabel für den Einsatz im kommerziellen Maßstab angesehen wird, beginnt an Bedeutung zu gewinnen, wenn sie aus der direkten Umwandlung von Energie resultiert, die durch einen Aerogenerator oder eine Photovoltaikplatte gewonnen wird, ohne durch das aktuelle elektrische Energieverteilungssystem zu gehen.

Die Produktion von H2 trägt auch zur Rentabilität von Offshore-Wind- oder Solarprojekten mit großer Leistung bei, da sie dazu dient, die Lücken zwischen der Spitzennachfrage und Zeiten mit höherem Wind- oder Sonnenaufkommen auszugleichen, die von Natur aus wechselnd sind.

Die Einführung wird es ermöglichen, Energie umzuwandeln, zu speichern, zu transportieren oder an entfernte Verbrauchsorte zu übertragen, was wiederum die Attraktivität von Investitionen erhöht.

Da es noch Herausforderungen gibt, die überwunden werden müssen, um eine vollständige Nutzung zu ermöglichen, kann H2 eine ausgezeichnete Gelegenheit sein, Brasilien in ein aufstrebendes Segment einzubinden, dass absehbarer Zukunft florieren wird.

Die Entwicklung der Technologie im Bereich regenerativer Energieerzeugung und die Möglichkeit des globalen Handels machen den Wandel zu einer H2-basierten Wirtschaft in 10 bis 30 Jahren zunehmend greifbarer.

Der internationale H2-Handel dürfte deutlich zunehmen, so wie es mit Liquefied Natural Gas - LNG - geschah, das in den letzten 25 Jahren so rentabel wurde, dass es wie ein weiterer Rohstoff behandelt wird.

Die H2-Wertschöpfungskette ist umfangreich und umfasst die technologische Entwicklung, Engineering-Projekte, die Entwicklung neuer Prozesse und neuer Materialien, Maschinen und Anlagen, sowohl vor als auch nach seiner Produktion. Es gibt logistische Herausforderungen wie Transport, Lagerung, Verteilung und Anwendungen jenseits der Energie, wie zum Beispiel Mobilität im städtischen Raum und über weite Strecken sowie die Verwendung als Input für verschiedene Produkte, von Düngemitteln bis hin zu Medikamenten.

Brasilien hat aufgrund seiner territorialen Ausdehnung, seiner enormen Küstenlänge, des starken Sonnen- und Windeinfalls alle Voraussetzungen, ein wichtiger H2-Produzent weltweit zu werden.

Doch das allein reicht nicht aus. Wenn wir uns dieser Herausforderung nicht auf integrierte Weise und mit einer Vision für das Land stellen, werden wir vielleicht nur zu Exporteuren einer weiteren Ware mit geringer Wertschöpfung. Daher ist es wichtig, dass wir hier die gesamte Wertschöpfungskette beherrschen, um die wirtschaftliche Entwicklung und die Schaffung von Arbeitsplätzen und lokalem Einkommen zu fördern.

Internationale Einrichtungen schätzen das Investitionspotenzial in die globale H2-Wirtschaft bis 2050 auf mehr als 11 Billionen US-Dollar.

Im Bereich der brasilianischen Regierung hat der Nationale Rat für Energiepolitik (CNPE) vor kurzem die Ausarbeitung von Richtlinien für das Nationale Wasserstoffprogramm beschlossen, wobei man sich bewusst ist, dass es notwendig ist, eine ganze Infrastruktur für die Produktion, die Lagerung, den Transport und die Verteilung von H2 auf der Angebotsseite sowie die Einfügung dieser Energiequelle in die Verbrauchsmatrix in Schlüsselsektoren wie Transport, Stahlindustrie und Düngemittel auf der Nachfrageseite zu entwickeln.

Daher ist es erforderlich, neue Sicherheitsnormen, ein neues regulatorisches Design und einen rechtlichen Rahmen zu schaffen, der es H2 ermöglicht, ein Wettbewerbsniveau und Finanzierungsquellen zu erreichen, die den Weg für den großtechnischen Einsatz von H2 eröffnen.

Alles deutet darauf hin, dass Wasserstoff in seiner nachhaltigen Form, dem Grünen H2, die Energiequelle der Zukunft sein wird, und da wir noch am Anfang stehen, liegt es an uns, ein Entwicklungsmodell zu schaffen, das Brasilien in diesem Markt mit Beteiligung und Dominanz in der gesamten Wertschöpfungskette platziert. Es entsteht ein neuer aussichtsreicher Entwicklungsimpuls für das Land.

Über den Autor: Alberto Machado Neto, M.Sc. ist ein Chemie- und Erdölingenieur. Master in Produktionstechnik COPPE/UFRJ und MBA-AMP-INSEAD-Frankreich. Direktor für Erdöl, Erdgas und Bioenergie bei ABIMAQ, Präsident von Arcplan Consulting und Mitglied des Vorstands von CODIN-RJ. Ehemaliger Präsident von Brasil Supply und ehemaliger Direktor von Newpark Drilling Fluids do Brasil. Ehemaliger Superintendent des ONIP. Bei Petrobras war er zwischen 1970 und 1999 in der Unternehmensleitung und in Führungspositionen tätig. Gastprofessor bei FGV.